Three Poems

 

Thomas Kunst  /  in translation by Thomas A. Kovach

 

 

 

 

MEINE LIEBSTE GEMAHLIN HOFFENTLICH WIRD ES HEUTE MORGEN

Nicht zu hell draußen, denn ich will ohne Anstrengung

An dich denken können, mit welcher Leichtigkeit

Du mir vorgeschlagen hast, allein nach Skudeneshavn

Zu reisen, in die Anstalt der Möwen, Kornfelder

Und Wale, du weißt, daß ich für Sträucher und dicke,

Überschaubare Tiere etwas übrig habe, aber allein

Werde ich diese Dinge nicht so genießen können, wie es

Ihnen zusteht, allein nach Skudeneshavn, du bist

Wahnsinnig, du brauchst viel länger als ich,

Um zu begreifen, daß wir uns lieben, nach all den

Sommerwechseln, unter uns, nach all den Sinfonieresten

Und Kußfetzen, wenigstens in Briefen, meine

Liebe, weil wir immer viel zu vorsichtig waren, konnten

Wir uns bis zum Ende niemals gegenseitig überraschen,

Unser Anfang war nur ein Spiel, und unser Ende

War die Müdigkeit des Spiels, ich will nachts endlich

Wieder irgendwohin fahren müssen, dahin, wo noch genügend

Aufdringlichkeit auf mich wartet, Aufdringlichkeit

Muß Sehnsucht sein, die sich nicht länger beherrschen

Kann, Skudeneshavn, Skudeneshavn, die Möwen, die

Kornfelder und Wale, du weißt, daß ich dieses Blau

Schon immer geliebt habe, dieses Blau, bei dem

Ich an Krankenhäuser denken muß, an die Flure,

In denen Keime abgetötet werden sollen, dieses Blau,

Mit seiner Vorliebe für de Verhaltensgestörtheit

Von Violett, du brauchst wirklich viel länger als ich, um

Zu begreifen, daß ich dir, mit meiner einseitigen Liebe,

Nur einen Gefallen getan habe, mit welcher Leichtigkeit

Ich an dich denken kann, es war doch deine Idee,

Hierher zu fahren, in diese präzisen Horizontanlagen,

Mit ihren treibenden Wetterstämmen, wie überschaubar

Und nachlässig von dir, mich gerade dahin zu schicken,

Wo es mir an nichts fehlen kann, du mußt wirklich

Wahnsinnig sein, mit meiner einseitigen Liebe

Zu dir, du schreibst, du seist dicker geworden, du

Weißt doch, daß ich dieses Blau schon immer geliebt

Habe, laß die fünf Kilo dort, wo sie sind, denn

Wenn die fehlen, wirst auch du wieder weiter von mir

Entfernt sein, gut, daß ich allein gefahren bin,

Ich denk an dich, aber was

Wäre ich am Fenster ohne Wale.

 

 

 

 

MY DEAREST WIFE, LET’S HOPE THIS MORNING IT WON’T BE

Too bright outside, because I want to be able to think of you

Without too much effort, how easily

You suggested that I travel to Skudeneshavn

Alone, into the sanctuary of seagulls, cornfields,

And whales, you know that I have a thing for shrubbery and

Large manageable animals, but I won’t be able

To enjoy these things by myself as much as you

Deserve, travel alone to Skudeneshaven, you are

Crazy, it takes you a lot longer than it does me

To grasp that we love each other, after all the

Moves in summer, between us, after all the remains of symphonies

And scraps of kisses, at least in letters, my

Love, because we were always too careful, we could never

Surprise each other right up to the end,

At first it was just a game, and at the end it

Was the fatigue from the game, finally I want

To have to travel somewhere at night, to a place where still

Enough intrusiveness awaits me, intrusiveness

Must be longing that can no longer restrain

Itself, Skudeneshavn, Skudeneshavn, the seagulls, the

Cornfields and whales, you know I always

Loved that blue shade that makes me

Think of hospitals, of corridors

In which germs are supposed to be killed off, that blue shade

With its preference for the disturbed behavior

Of Violet, you really need much more time than I do

To grasp that with my one-sided love, I only

Did you a favor, how easily

I can think of you, after all it was your idea

To come here, into these precise horizontal structures

With their drifting weather trunks, how understandable

And careless of you it was to send me just to that place,

Where I can lack nothing, you must really

Be crazy, with my one-sided love

For you, you write that you’ve gained weight, you

Still know that I have always loved that shade of blue,

Leave those five kilos where they are, because

If they are no longer there, you will again be farther

Away from me, it’s good that I travelled by myself,

I think of you, but what

Would I be at the window without whales.

 

 

 

 

 

 

HILDE IST BESTIMMT GAR NICHT NACH BONN GEFAHREN,

Nach Koblenz, Andernach, nach Kiel,

Sie muß hiergeblieben sein, ich spüre mit dem Finger

Ihre Piercingreste in der Luft, wir heirateten zwei

Mal im Schlaf, von allen Seiten, zum Glück

Vergaß sie, ihre Jacke mitzunehmen, ich habe mir

Vorgenommen, kleiner zu werden, mit

Kleineren Kartoffeln, kleinerem Obst, Steakmedaillons und

Winzigen Getränken, ich habe meine Arme

Mit Wäscheleinen enger geschnürt, ich schlafe

Nur noch mit hochgezogenen Knien, ich lese nur

Noch die Buchzeilen genau in der Mitte, ich stelle mich

Tagsüber gekrümmt vor meinen geöffneten Kühlschrank,

Probiere, mit den Händen phasenweise

Drin zu wohnen, lege

Weinverpackungen und Melonentrümmer

Auf die Arme, Arme

Mit nichts dahinter, ich

Hebe ständig Schnecken vom Boden auf, Grashalme,

Filterpapier und die Kinder von Ameisen, ich gehe in

Die Hocke und bleibe so, ich binde mich an einem Baum

Fest und versuche jetzt, von ganz allein zu bluten, ich

Schlenkere mit den Armen, warte auf Wölfe und

Haie, die auch mal für umsonst schwimmen, bin ich

Schon kleiner geworden, Hilde, ich winke ja gar nicht, ich

Warte, ich esse, ich teile mir mit den Wespen

Den kleinsten, jemals von einem Ast gefallenen,

Aufgesprungenen Apfel, ich bin schon

Kleiner geworden, du mußt

Hiergeblieben sein.

 

 

 

 

HILDE CERTAINLY DIDN’T DRIVE TO BONN AT ALL,

To Koblenz, Andernach, to Kiel,

She must have stayed here, with my finger I feel

Her piercing pieces in the air, we married two

Times in our sleep, from all sides, luckily

She forgot to take her jacket, I have

Decided to get smaller, with

Smaller potatoes, smaller fruit, beef medallions and

Tiny drinks, I tied my arms

Tighter with clothesline, I only sleep

With pulled-up knees, I only read

Lines in a book in the very middle, I stand

All day hunched over in front of the opened

Fridge, I try

With my hands and in phases

To live in it, I lay

Wine packaging and melon debris

On my arms, arms

With nothing behind them, I

Constantly lift snails off the ground, blades of grass,

Filter paper and the children of ants, I

Hunker down and stay there, I tie myself

To a tree and try

To bleed all on my own, I swing with my

Arms, wait for wolves and sharks that occasionally

Swim in vain, have I

Already gotten smaller, Hilde, I wave

Not at all, I wait, I eat, I share

With the wasps the smallest

Split-open apple ever to have

Fallen off a branch, I have already

Gotten smaller, you must

Have stayed here.

 

 

 

 

 

 

SCHNEE FÄLLT AUF MELODIE JOHNSON, KEIN GANZ

Einfacher Schnee, denn sie ist auch kein einfaches

Mädchen, hier draußen, vor der Turnhalle

Der Spiel Vereinigung Südwest, ihr Vater war

Als Elitesoldat in den achtziger Jahren

In Deutschland stationiert und soll viele Frauen

Gehabt haben, wenn es hart auf hart käme, würde

Ich zuerst ihre Mütze und dann ihre Haare

Trinken, um sicherzugehen, daß ich gar nicht erst

Bis zu ihren Haaren kommen würde, mein Gott, irre,

Aschblonde, gelockte, an den Schnee gelehnte,

Aus dem Zusammenhang gerissene, arschblonde

Haare, ich weiß, sie ist viel zu jung für

Mich, so alt wie meine Tochter, das geht überhaupt

Nicht, aber ich habe wirklich keine Ahnung, wie

Ich mich ihr entziehen kann, auf Dauer

Entziehen, Mittwoch für Mittwoch entziehen, sie ist

Eine typische Umkehrspielerin, verfügt über eine

Ausgewogene Rückhand, Spin, Slice, einfach

Alles, sie schläfert ihre Gegner mit ewig

Langen Schupfballpassagen ein, mir kommt es

Jedenfalls ewig vor, um dann auf einmal

Am Tisch zu explodieren, ich bin nicht gerade

Glücklich, daß ich nur im Training auf sie

Treffe, in Pennsylvania wäre sie bestimmt

Längst nicht so gut und ausdauernd, ich weiß, daß

Sie in einer Bundeswehrkaserne als Arzthelferin

Arbeitet, ich weiß, daß sie viel zu jung für mich

Ist, und außerdem spielt sie zwei Klassen über

Mir, aber wenigstens im gleichen hellblauen Trikot

Wie ich, betandwin, betandwin, für einen Augenblick fällt

Schnee auf Melodie Johnson, kein ganz einfacher Schnee, denn

Sie ist auch kein einfaches Mädchen, ich kann sie

Von meinem Auto aus sehen, von vorn, von der

Seite, von hinten, wie sie zu ihrem Punktspiel

Geht, zwei Klassen über mir, nur gut, daß sie

Keine Schwimmerin ist, bwin, bwin, aber egal, in welch

Einer Halle sie trainieren würde, im Wasser, auf dem

Boden, in der Luft, kein Schnee, Melodie, hätte jemals

In Deutschland gezögert, dich mit offenen Haaren, für die

Letzten Schritte in Straßenschuhen,

Aus einem Zusammenhang zu reißen, einem

Zusammenhang aus November, Pennsylvania und ganz

Einfachem Schnee.

 

 

 

 

SNOW FALLS ON MELODIE JOHNSON, NOT ENTIRELY

Simple snow, since she isn’t a simple

Girl, outside here in front of the gym

Of the Southwest Sport Association, her father

Was stationed in Germany in the 1980s

As an elite soldier and supposedly

Had many girlfriends, when push comes to shove, would

I first drink her hat and then her

Hair, to make sure that I would not

Reach her hair, my God, crazy,

Ash blond, curly, leaning on the snow,

Pulled out of context, bimbo-blonde

Hair, I know, she is way too young for

Me, as old as my daughter, this won’t work

At all, but I really haven’t a clue how

I can pull myself away, for good,

Pull myself away, Wednesdays after Wednesdays, she is

One classic mid-course correction player, with a set of

Steady backhand, spin, slice, simply

Everything, she lulls her challenger with forever

Long loopdrives, at least it seems like forever

To me, then just to explode suddenly

On the table, I am not exactly

Happy that the only time I bump into her

Is during practice, in Pennsylvania she definitely wouldn’t

Be nearly so good and persistent, I know that

She works on an army base as a nurse,

I know that she is way too young

For me, and beside she plays two leagues above

Me, but at least in the same light-blue jersey

That I wear, bet and win, bet and win, for a moment snow is falling

On Melodie Johnson, not entirely simple snow, since

She isn’t a simple girl, I can see her

From my car, head on, from the

Side, from behind, as she walks to her match

Two leagues above me, at least she

Isn’t a swimmer, bwin, bwin*, but it doesn’t matter

What arena she practices in, in water, on the

Ground, in the air, no snow, Melodie, would I ever

Have hesitated in Germany to pull you

Out of your context with open hair for the

Last steps in street-shoes, one

Context in November, Pennsylvania and

Simple snow.

 

 

*bwin, bwin: online gambling web-site

 

 

 

 

From The Art of Kunst: Selected Poems, Letters, and Other Writings by Thomas Kunst, Steven D. Martinson, Volume editor (Peter Lang, New York).  ©2016, Monographs, 167 Pages. German Literature & Culture.  Series: American University Studies, Volume 112. 

 

 

 

 

 

 

 

 

Thomas Kunst, born 1965 in Stralsund on the Baltic Sea.  He received musical training (violin, viola and bass guitar) and wrote his first poems in 1982.  After graduating from high school in 1984, he began studying education in Leipzig, which he dropped out of in 1986.  He works as a library assistant at the German National Library, has received numerous awards for his prose and poetry, amongst them the Meran Poetry Prize 2014.  In 2018, he was awarded the Lower Austria Prize for Literature for an excerpt from Zandschow.  The novel was also shortlisted for the German Book Prize 2021. 

 

 


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